Folge 65 - Wolfgang Lobisser, der Experimentalarchäologe über Pfahlbauten, Einbäume und das unsichtbare Dorf am See
- Peter Zeitlhofer
- 27. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Unsichtbare Dörfer unter der Wasseroberfläche? Experimentalarchäologe Wolfgang Lobisser macht die Pfahlbauten von Attersee & Mondsee begreifbar – mit Werkzeugen, die nach Harz riechen, und Geschichten, die an Holzfasern hängen.

Wie fängt man eine Zeit ein, in der es keine Schrift gab – nur Spuren? Wolfgang Lobisser ist mit dieser Frage aufgewachsen. In Hallstatt, zwischen Werkstatt und See, begann die Liebe zum Material: Holz. Später baute er Geigen, noch später begann er, mit rekonstruierten Werkzeugen die Vergangenheit zu erproben. Heute liest er am Holz, welche Klinge es berührt hat – Stein, Kupfer oder Bronze – und erzählt Geschichten, die uns direkt vor die Stege von Attersee und Mondsee führen.
Was ihn antreibt, ist weniger Nostalgie als Genauigkeit. „Der Müll lügt nicht“, sagt er – viele Mythen über die Pfahlbauten musste die Forschung revidieren. Manchmal korrigieren neue Funde unser Bild, manchmal die nüchterne Detektivarbeit am Objekt: Kerben, Kerfs, Fasern. So wird aus einem Span ein Satz über das Leben am Wasser – über Transport, Fischfang, Handel und Handwerk. Und über die Erkenntnis, dass die Schlagworte Stein-, Bronze- und Eisenzeit vor allem eines überdecken: Es war immer Holzzeit.
Das macht seine Projekte so körperlich. Am Attersee hat Lobisser mit seinem Team zwei riesige Tannen in Einbäume verwandelt. Der erste Schlag in den Stamm ist kein Symbol, sondern Arbeit: stumpfe Steingeräte prallen auf weiches Holz anders als auf Eiche; Tricks und Ausdauer ersetzen Motoren. Und wenn der Rohling „ruhiggestellt“ werden soll, verschwindet er für Monate im Wasser – kein Drama, sondern Konservierung und Vorbereitung auf die Feinarbeit. Archäologie als Prozess, nicht als Schaustück.
Auch kulinarisch führt die Folge tief in die Geschichte: vom Hallstätter Bergritschert – einer Mischung aus Saubohnen, Linse, Gerste und Schlachtabfällen – bis zum Wels im Lehmmantel aus der Kochgrube. Was archaisch klingt, schmeckt heute noch; es erzählt von Techniken, die mit dem ersten Topf das Kochen revolutionierten und mit Metallgerät neue Horizonte öffneten. Essen als Archiv.
Und dann sind da die großen Linien. Pfahlbauten sind keine einzelne Kultur, sondern viele – über Jahrtausende und Regionen hinweg. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schwang viel Romantik mit; heute zählt Präzision: graben, wenn es Sinn macht, konservieren, wenn es klüger ist. Denn der Boden ist ein Archiv, das man nur einmal lesen kann. Jeder Spatenstich will begründet sein.

Was bleibt? Ein Blick nach vorn. 2027 könnte das Thema im Salzkammergut erneut sichtbar werden – nicht als Folklore, sondern als Einladung: begreifen, wie nah uns diese Dörfer sind, deren Pfähle noch im Seegrund stecken. Vielleicht hören wir dann auch, was wir nicht belegen können: ob die Menschen bei der Arbeit gesungen haben. Den Takt gäbe es – beim Einschlagen der Pfosten bestimmt. Bis dahin lohnt der Weg an die Pavillons, Stege und Ufer – und natürlich in diese Podcast-Folge, wo Holz, Wasser und Stimme eine Stunde lang zusammenspielen.
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